DJ Gil Glaze: «Anfangs war es ein Hobby für mich»

Interview mit DJ Gil Glaze
Bildquelle: 
Pressebild © Gil Glaze, zVg

Er ist von Zürich aus aufgebrochen, um seine Leidenschaft zum Beruf zu machen. DJ Gil Glaze hat sich an der NYU in Musikproduktion ausbilden lassen und ist heute Label-Chef und international gefeierter DJ. Wir haben mit ihm über seine Karriere und das Produzieren gesprochen, aber auch über das Entdecken neuer Talente, Schweizer Schauspieler*innen für den neuen Videoclip und darüber wie er die Corona-Pandemie erlebt hat. Zudem war das St. Jakobsstadion in Basel ein Thema, denn dort hat DJ Gil Glaze eine coole Aktion durchgezogen. 

 

Du hast mit 15 Jahren erste DJ-Sets gehabt. Wie bist du dazu gekommen?

 

Ich war schon in jungen Jahren in Clubs, habe viele DJs getroffen und habe mich in die Musik verliebt. Da wusste ich, dass ich genau das machen wollte. Ich war schon immer ein musikalischer Mensch, hatte aber keinen Plan, wie ich in die Szene reinkommen sollte. So wurde das DJing quasi mein Weg in die Musik.

 

15 Jahre ist schon früh, um genau zu wissen, dass diese Leidenschaft ein Leben prägt. Was hat dich daran gereizt?

 

Zu Beginn habe ich auf meiner High School (Zurich International School, Anm. d. R.) gespielt. Später wurde ich für Sets bei Fashionshows, Discos und weitere kleine Events gebucht. Anfangs war es ein Hobby für mich, - Im Alter von 16 oder 17 Jahren durfte ich in Clubs performen. Für mich war es ein riesiger Spass und meine Freunde konnten umsonst in die Clubs. Ich konnte Musik machen und hatte sehr viel Freude daran. Später, so im Alter von 18 oder 19 Jahren, besuchte ich die Universität und lernte viel über die Entstehung der Musik und das Business. So merkte ich: «Ok, langsam wird es ernst». Ich konnte also meine Leidenschaft zum Beruf machen.

 

Seit 2015 lebst du in New York und hast an der NYU studiert. Wie wichtig war der Umzug für deine Karriere?

 

Sehr wichtig. Die Anfänge in der Schweiz waren eher als Club-DJ. Ich spielte in Clubs wie dem Kaufleuten, Encore oder Diagonal. Als ich in die USA zog, hatte ich die Gelegenheit mehr über Musikproduktion zu lernen. Zuvor hatte ich nie Musik produziert. Zudem lernte ich viele Leute im amerikanischen Nachtleben kennen wie etwa Tao Group, die mir unter die Arme griffen. Von da an war der Weg internationaler. Speziell in der Schweiz, wo ich als internationaler DJ bekannt bin. Immer wenn ich früher beispielsweise im Kaufleuten gespielt habe, war ich ein lokaler DJ und jetzt, wenn ich nach Zürich komme, werde ich als internationaler DJ mit Gigs in New York oder Las Vegas angekündigt. Somit hatte ich einen internationaleren Namen.

 

 

Die Drums werden bei meinen Songs am Computer programmiert. Aber die Gitarren und das Piano versuche ich so oft wie möglich analog zu produzieren und in die Songs einzufügen.

 

 

Wahrscheinlich ist das auch für das Marketing ein Vorteil, dass du internationale Erfahrung hast.

 

Jaja, sogar Clubs in St. Gallen oder Bern bezeichnen mich als Gil Glaze, DJ aus New York. Amüsant ist, dass ich Zürcher DJ bin und einfach in New York lebe. Aber fürs Marketing hilft es sehr.

 

Du bist ausgebildeter Produzent. Wie arbeitest du an neuen Songs? Wie entwickelst du Ideen, wenn dich die Inspiration streift?

 

Ich habe immer Clubmusik gemacht. Mit dem Produzieren habe ich 2013/2014 angefangen und habe eher DJ-Sachen und Clubmusic produziert – was in DJ-Radios und Radiosendungen gespielt wird. Danach habe ich begonnen Beats zu produzieren und später habe ich versucht, mehr in Richtung kommerzieller Popmusik zu finden. Ich begann mit Songwriter*innen und Sänger*innen zu arbeiten. Heute arbeite ich so, dass ich Leute kontaktiere, die ich online finde. Bei Youtube oder so. Beim letzten Song «Remember» war das Gia Koka. Einige meiner Freunde haben schon mit ihr gearbeitet; sie ist ziemlich bekannt in der Szene und hat beispielweise Songs für David Guetta geschrieben. Also haben wir sie kontaktiert und sie nahm sich ein Jahr Zeit, um den Song beziehungsweise die Lyrics zu schreiben. Sie hat diese in verschiedenen Versionen eingesungen, mir geschickt und ich habe dann die Produktion neu aufgebaut. Das ist zusammen mit einer Handvoll Songwritern passiert. Für mich ist die Arbeit in einem grossen Team ein Gewinn, im Vergleich zu meiner Arbeit alleine im Studio.

 

Wenn ich dich richtig verstehe, ist ein Teil der Arbeit analog?

 

Ja, genau. Wir versuchen das sogar noch zu pushen. Die Drums werden bei meinen Songs am Computer programmiert. Aber die Gitarren und das Piano versuche ich so oft wie möglich analog zu produzieren und in die Songs einzufügen. Es bringt ein grösseres Gefühl von Musik im Gegensatz zur Arbeit am Computer.

 

Gil Glaze x Gia Koka - «Remember»

 

 

Die aktuelle Single «Remember» ist, wie du bereits erwähnt hast, eine Zusammenarbeit mit der Sängerin und Produzentin Gia Koka. Wie entsteht so eine Zusammenarbeit? Suchst du lange, bis du die richtige Stimme gefunden hast?

 

Es dauert schon eine Weile. Ich bin inzwischen ziemlich gut im Filtern von talentierten Sänger*innen. Aber wir bekommen am Tag zwei bis drei Samples von Leuten zugeschickt, die gerne auf einem Track singen würden. Ich schaue dabei aber nicht, was die Person schon so gemacht hat, sondern höre auf mein Gefühl, das mir sehr schnell sagt, ob mich die Stimme berührt.

 

Hast du überhaupt die Zeit, alle eingeschickten Samples zu hören?

Ja, schon. Ich höre alle an, aber oft nur kurz, und schon erkenne ich, ob die Stimme zu mir passt oder nicht. Wenn ich etwas höre, was ich liebe, dann kann ich mich darauf verlassen, dass mein Gefühl mich nicht täuscht. Wenn mir etwas richtig gut gefällt, will ich es auch pushen.

 

Im Video zu «Remember» ist ein junges Paar zu sehen, das von einer Schauspielerinn und einem Schauspieler aus Basel gespielt wird. Wie fiel der Entscheid auf das Basler Paar? Spielt hier den Bezug zur Schweiz eine Rolle?

 

Wir haben hier mit Jen Ries von der Firma MM Motion Pictures gearbeitet. Sie ist Creative Director und Filmemacherin und macht unter anderem Musikvideos. Sie hat uns Vorschläge für Schweizer Schauspieler*innen aus Bern, Basel oder Zürich geschickt. Sie wollte, dass sich die beiden, die das Paar spielen, kennen. Sie gehen gemeinsam zur Schule und haben so eine Verbindung zueinander und harmonieren stärker. Für mich war das auch sehr wichtig. Selbst mit den Masken im Video erzeugen sie eine Verbindung. Schon als wir die beiden auf Fotos und Beispielen gesehen haben, war klar, dass sie perfekt für den Clip sind.

 

 

Wir informieren uns da laufend. Ich möchte aber eher erst mal langsam wieder einsteigen, immerhin haben wir noch eine weltweite Pandemie. Viele Länder wie die Schweiz haben jetzt beim Impfen Fortschritte gemacht und auch ich warte darauf, dass ich geimpft werde. Danach schaue ich, was für Pläne da sind.

 

 

Du hast relativ früh schon dein eigenes Label gegründet. Bist du jemand, der gerne selbstständig ist und quasi sein eigener Chef ist?


Ich habe das Label «Breeze Records» gegründet, als ich 15 oder 16 Jahre alt war. Aber «Breeze» ist mehr eine Plattform, um meine Musik zu veröffentlichen. Ich habe immer wieder meine Songs an Clubs geschickt, weil ich gebucht werden wollte. Oft hörte ich aber «Wir können dich nicht buchen» oder «Dein Style passt nicht zu uns». Das einfachste ist als Eventpromoter aufzutreten. Dann ist es mein Event und ich buche mich als DJ. Als ich nach New York zog, war das nicht mehr nötig, aber ich wollte die Marke «Breeze» behalten und machte eine Firma daraus. Also wandelte ich sie in ein Plattenlabel um, weil ich meine eigene Musik supporten wollte. Meine Musik wurde von anderen Labels oder DJs abgelehnt, daher war es naheliegend, dass ich ein Label gründe. Also habe ich eine Zeit lang meine Musik über das eigene Label veröffentlicht und heute bin ich bei Sony. Aber ich möchte immer noch neue Musik und Künstler*innen entdecken und fördern. So bekomme ich Demos und kann eine Plattform bieten und der nächsten Generation helfen. Und es gibt mir einen Job, wenn ich nicht für das DJing durch die Welt reise. Ich habe quasi einen 9-to 5-Job mit meinem Label. Das gefällt mir sehr gut.

 

So hast du aber natürlich auch die Verantwortung, wenn du der Chef bist. Gerade in der Corona-Pandemie merkst du das als Labelchef bestimmt. Aber natürlich auch als DJ, der von Live-Events abhängig ist. Wie hast du die Zeit erlebt?

 

Wir hatten sehr viele coole Shows geplant, auch in St. Gallen oder Zürich. Es sollten konzertähnliche Shows werden. Ich hätte als Vorgruppe von The Chainsmokers auf der Miami Music Weeks auftreten sollen, doch dieser Gig wurde dann abgesagt. Am Anfang war es schon ein Schock für mich. Es stellte sich die Frage, wie wir an Shows kommen. Vieles wurde abgesagt und man wusste nicht, was als nächstes möglich ist. Aber ich habe mir immer eine positive Einstellung bewahrt. Seit ich 16 Jahre alt bin, reise ich non-stop, toure um die Welt und jetzt hat sich eine Möglichkeit ergeben, den Fokus auf andere Dinge zu legen: von Sport treiben über Freunde treffen oder reisen an Orte, an denen ich noch nie war. Das war letzten Sommer in Europa möglich, als sich die Lage etwas entspannte. Ich hatte zuvor auch nie so richtig die Zeit gefunden, um mein Studio fertig einzurichten. Also habe ich mich darauf konzentriert. Ich habe auch meinen Pass erneuert, neue Visuals erstellt oder an einem Photoshooting teilgenommen. Ich habe also alles Mögliche gemacht. Es hat mir aber auch gezeigt, wie wichtig das Touren ist und wie besonders es ist, was ich tue. Man schätzt alles plötzlich mehr, als immer on the road zu sein, wenn man ständig müde und erschöpft ist. Für mich war es eine gute Gelegenheit für eine Auszeit, aber ich bin jetzt auch bereit, langsam wieder einzusteigen.

 

In der Pandemie hast du das St. Jakobsstadion in Basel für einen Livestream gemietet. Wie bist du auf diese Idee gekommen?

 

Ich habe einfach alle Stadien in der Schweiz angeschrieben und die Idee vorgestellt, dass ich als DJ raus aus dem Studio ins Stadion will und es richtig gross machen will. Die Leute hinter dem FC Basel schrieben mir zurück, das muss Mai oder Juni letztes Jahr gewesen sein, und sagten, dass der Fussball zurückkommt und man das Stadion für Trainings benötige. Aber man bot mir einen Zeitpunkt für den Livestream an. Allerdings hatten wir nur ein Zeitfenster von zwei Stunden. Dafür durften wir kostenlos ins Stadion. Ich dachte, dass es eine teure Angelegenheit würde, aber sie waren da sehr entgegenkommend. Also organisierte ich einige Freunde sowie ein befreundetes Kamerateam. Wir luden das Equipment auf einen Truck, fuhren ins Stadion, bauten alles auf, hatten eine halbe Stunde, um die Technik zu testen, dann ungefähr 40 Minuten für die Performance und danach noch zwanzig Minuten, um schnell wieder aus dem Stadion zu sein. Da waren die grossen FC Basel Security Guys, die meinten «So, die Zeit ist um.» und wir waren schon raus. Das war eine wirklich lustige Aktion und eine coole Erfahrung.

 

Man liest immer wieder, dass in den USA einzelne Staaten zu öffnen beginnen. Spürst du das bereits? Kommen wieder Anfragen bei dir rein?

 

Ja, ich bin in Kontakt mit vielen Clubs in den USA. Aber es ist aktuell noch nicht so einfach, dorthin zu kommen. Wir informieren uns da laufend. Ich möchte aber eher erst mal langsam wieder einsteigen, immerhin haben wir noch eine weltweite Pandemie. Viele Länder wie die Schweiz haben jetzt beim Impfen Fortschritte gemacht und auch ich warte darauf, dass ich geimpft werde. Danach schaue ich, was für Pläne da sind. Ich habe gesehen, dass Miami und Las Vegas offen sind und ich freue mich darauf, wieder dort zu sein. Aber warten wir mal über die nächsten paar Monate ab, wie sich alles entwickelt. Ich finde zudem, dass in den USA die amerikanischen DJs auch ein Jahr kein Business hatten und man denen den Vortritt geben sollte. Danach können wir internationalen DJs langsam wieder dazustossen. Es eilt für mich nicht.

 

Vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast. 

 

Patrick Holenstein / Fr, 14. Mai 2021